July 23, 2024

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Zwei Kriterien für ein gutes Notarbüro

Unter Kollegen ist es ein running gag, daß Makler die Qualität eines Notariats häufig an zwei Dingen bemessen: wie schnell ist der Entwurf draußen und wie zeitnah erfolgt nach der Beurkundung ein Versand der Urkunde an die Beteiligten? Die inhaltliche Qualität des Dokuments spielt demgegenüber keine Rolle, nach dem Motto "Wird schon passen". Für letzteres sind drei Staatsexamen erforderlich, für reine Geschwindigkeit als solche nicht.

Dennoch ist da was dran.

Diese Meinungsbildung hat allerdings einen wahren Kern. Um einen Entwurf zeitnah erstellen und versenden zu können, bedarf es erheblicher Vorarbeit und einer guten Organisation des Backoffice. Um ein gutes Muster zu entwickeln, müssen diverse Entscheidungen vorab getroffen werden: wie viel davon muß zwingend variabel ausgestaltet sein, wie viel ist "Standard"? Welche Struktur soll der Vertrag haben, d.h. wo findet man was? Welche Inhalte sind erforderlich, was ist nur "Füllmaterial", das auch weg kann? Benötigt man verschiedene Muster für einerseits Verbraucher und andererseits Profis? Wie ist die anschließende Abwicklung angelegt und macht die Vertragsstruktur diese effizienter oder verkompliziert sie sie?

Ein guter Vertrag ist in seiner Struktur übersichtlich, gut lesbar, enthält möglichst wenige Wiederholungen und unterstützt die anschließende Abwicklung.

Für zügige Entwürfe muß sich ein Notar zunächst obige Fragen stellen. Und dann muß er daran gehen, sie zu beantworten. Das ist komplex und sehr umfangreich. Für den vorliegenden Blogartikel möchte ich mich auf zwei Beispiele beschränken: eins für die Arbeit im Vorfeld und eins für die Abwicklung nach Beurkundung.

Ein Beispiel für effiziente Mustererstellung:

Ich definiere bei einem Kaufvertrag eingangs im Vertragsrubrum den Beteiligten, welcher verkauft, als "der Verkäufer". Es ist egal, ob er männlich oder weiblich ist, eine Person oder mehrere, eine Firma oder eine Erbengemeinschaft, vertreten oder persönlich anwesend. Im gesamten Vertrag wird sodann von "der" oder "dem" Verkäufer gesprochen und es ist eindeutig, wer gemeint ist. Das erspart bei der Entwurfserstellung jedesmal, wenn die Verkäuferseite genannt wird, die Anpassung von Ein- und Mehrzahl sowie Geschlecht, und zwar nicht nur in dem Wort selbst und dem zugehörigen Artikel, sondern auch bei zugehörigen Verben. Das sind etwa 20 min weniger Vorbereitungsaufwand und in dem Umfang, in dem das Wort "Verkäufer" im Vertrag vorkommt, weniger Fehlerquellen. Und glauben Sie mir: die Software ("Suchen und Ersetzen") kann das nicht durchgehend fehlerlos automatisch anpassen. Auf Käuferseite machen wir das dann genau so, Käufer ist "der Käufer", egal wie viele Personen welchen Geschlechts

Die Alternative zu einer solchen Definition wäre, daß ich mehrere Vertragsmuster anlege: eins für mehrere männliche Verkäufer und einen männlichen Käufer, eins für mehrere weibliche Verkäufer und einen männlichen Käufer, eins für männliche und weibliche Verkäufer und einen männlichen Käufer ... Sie sehen, worauf das hinausläuft. Das Problem daran ist folgendes: wenn ich das Muster an einer Stelle ändern möchte, etwa weil sich eine Gesetzeslage geändert hat, muß ich das bei meinem Muster nur 1x tun. Wenn ich eine Vielzahl von Mustern für jede mögliche Gendervariante vorhielte, müßte ich es in jedem einzelnen Muster tun. Auch hier vervielfachten sich die Fehlerquellen und der Zeitaufwand.

Das ist nur ein Beispiel für die Reduktion von Variablen. In Fällen, in denen sich die Verträge inhaltlich unterscheiden - etwa bei einem Wohnungskaufvertrag einerseits und einem Grundstückskaufvertrag andererseits - macht es Sinn, mehrere Muster zu entwickeln. Man kann nicht jede denkbare Sachverhaltsvariante vorab mit einem Muster abbilden, aber man kann immerhin so weit vorarbeiten, daß die Anpassungen an den individuellen Einzelfall tatsächlich nur das Individuelle betreffen. Im Ergebnis haben wir eine höhere Geschwindigkeit bei der Erstellung von Entwürfen.

Ein Beispiel für abwicklungsfreundliche Vertragsstrukturen:

Ähnliches gilt für die Abwicklung nach der Beurkundung, auch hier ein Beispiel: der Kaufvertrag enthält idR. die sog. "Auflassungserklärung" nebst Antrag und Bewilligung des Eigentumswechsels. Natürlich soll der Eigentumswechsel erst möglich sein, wenn der Käufer den Kaufpreis bezahlt hat. Der Notar muß sicher stellen, daß vor der Zahlung kein Vertragsexemplar in Umlauf gerät, mit dem jemand den Eigentumswechel im Grundbuch bewerkstelligen könnte. Dennoch müssen Vertragsexemplare vorher in Umlauf, z.B. für die Aufassungsvormerkung und für die Einholung von Genehmigungen und Löschungsbewilligungen.

Das sich daraus ergebende Problem kann man auf unterschiedlichen Wegen lösen. Einer ist, daß zunächst nur eine sog. Teilausfertigung des Vertrags erstellt wird, welche die Auflassungserklärung nicht enthält. Das Sekretariat muß entweder manuell am Kopierer den Teil mit der Auflassung aus dem Vertrag rauskopieren, oder es muß ein entsprechend reduziertes Duplikat am Computer erstellen und die verschiedenen Versionen organisatorisch voneinander trennen. Resultat: zusätzliche Arbeitszeit von 20 bis 30 min und eine potentielle Fehlerquelle (es könnte ein falsches Exemplar rausgehen). Ein anderer Weg ist, daß der Vertrag inhaltlich vorsieht, daß die verkäuferseitige Bewilligung der Eigentumsumschreibung unter der aufschiebenden Bedingung steht, daß der Notar die Umschreibung mit Eigenurkunde beantragt. Dann kann niemand außer der Notar selbst mit gesiegeltem Schreiben den Vertrag zur Eigentumsumschreibung verwenden, so daß man den Vertrag so wie er ist in Umlauf bringen kann - das Erstellen von Teilausfertigungen, der damit verbundene Zeitaufwand und die potentielle Fehlerquelle entfallen.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Vertragsstrukturen die Arbeitsgeschwindigkeit im Notariat bestimmen. Es gibt viele weitere solche Stellschrauben.

Fazit

Hat man sich einmal die Zeit genommen, das - also jedes einzelne Muster - vorab gründlich zu durchdenken und optimal zu konzipieren, summieren sich die kleinen Ersparnisse in allen Akten im Arbeitsalltag auf und machen einen erheblichen Unterschied sowohl für den Notar selbst als auch für das Backoffice.

Im Ergebnis haben die Makler also nicht ganz unrecht, wenn sie die Qualität des Notariats an schnellen Entwürfen und schneller Abwicklung bemessen.

Vor diesem Hintergrund war eine Bemerkung eines Maklers diese Woche in einer Beurkundung doch ein gar nicht so kleines Kompliment. Der Käufer wollte wissen, wann er einziehen kann, da er seine eigene Immobilie gerade verkauft hatte und selbst bald aus dieser ausziehen muß. Der Makler sagte zu ihm über mein Büro: "This office is super fast!". Ich sage: vielen Dank!

Ihr Tobias Scheidacker
Rechtsanwalt und Notar

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