October 12, 2024

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Die Gründung einer Familienstiftung und die Übertragung von Vermögenswerten auf diese ist ein rechtlich und steuerlich komplexer Vorgang, der eine sorgfältige Planung erfordert. Für Unternehmer und vermögende Privatpersonen, die eine langfristige Sicherung ihres Vermögens sowie eine Steueroptimierung anstreben, ist dies eine Möglichkeit, das Vermögen über Generationen hinweg zu erhalten. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Februar 2024 (Az. II R 25/21) klärt zentrale Fragen zur steuerlichen Behandlung der Übertragung von Vermögen auf Familienstiftungen und verdeutlicht die Notwendigkeit einer detaillierten Ausgestaltung der Stiftungssatzung.

Steuerliche Einordnung der Übertragung auf eine Familienstiftung

Die steuerliche Behandlung der Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung richtet sich in Deutschland nach den Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Eine Zuwendung an eine Familienstiftung gilt gemäß § 7 Abs. 1 ErbStG als Schenkung. Der Vorgang wird damit so behandelt, als würde das Vermögen direkt an eine oder mehrere Personen verschenkt. Entscheidend für die Höhe der Steuerlast ist, welcher Steuersatz und welcher Freibetrag anzuwenden sind. Diese Faktoren richten sich nach der Beziehung zwischen dem Stifter und den Begünstigten der Familienstiftung.

Das Urteil des BFH befasst sich mit der Frage, wie die Steuerklasse des Begünstigten bei Familienstiftungen festgelegt wird. Dabei ist nicht nur die Beziehung des Stifters zu den aktuell existierenden Begünstigten relevant. Auch Personen, die erst in der Zukunft existieren könnten und nach der Satzung als Begünstigte in Frage kommen, müssen in die steuerliche Betrachtung einbezogen werden. Für die Bestimmung der Steuerklasse ist nach dem Urteil des BFH der „entferntest Berechtigte“ ausschlaggebend, also die Person, die im Verhältnis zum Stifter die weiteste familiäre Entfernung aufweist.

„Entferntest Berechtigter“ und steuerliche Auswirkungen

Der Begriff des „entferntest Berechtigten“ spielt eine zentrale Rolle bei der Festlegung des Steuersatzes und des Freibetrags. Im Fall von Familienstiftungen kann dies eine Person sein, die zwar in der Satzung als möglicher Begünstigter aufgeführt ist, jedoch aktuell noch nicht existiert oder nur in einem sehr entfernten Verwandtschaftsverhältnis zum Stifter steht. Dies kann etwa entferntere Verwandte oder zukünftige Nachkommen betreffen.

Der BFH stellt in seinem Urteil klar, dass es unerheblich ist, ob diese Personen zum Zeitpunkt der Übertragung bereits geboren sind oder ob sie jemals finanzielle Vorteile aus der Stiftung erhalten werden. Maßgeblich ist allein, dass die Stiftungssatzung sie als potenzielle Begünstigte einbezieht. Diese Regelung hat zur Folge, dass oft eine ungünstigere Steuerklasse angewendet wird, wenn entfernte Verwandte oder ungeborene Nachkommen als potenzielle Begünstigte vorgesehen sind. Dies wiederum kann zu einer höheren Steuerlast führen.

Steuerfreibeträge und Steuersätze

Die Höhe des Steuerfreibetrags und der Steuersatz richten sich nach der Steuerklasse, die wiederum auf dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und dem „entferntest Berechtigten“ basiert. Für enge Familienangehörige wie Kinder gilt Steuerklasse I, die mit den günstigsten Steuersätzen verbunden ist. In Steuerklasse II und III, die für entferntere Verwandte oder nicht verwandte Begünstigte gilt, sind die Freibeträge niedriger und die Steuersätze höher.

Für Begünstigte in der Steuerklasse I beträgt der Freibetrag derzeit 400.000 Euro. In Steuerklasse II, die für entferntere Verwandte wie Geschwister oder Nichten und Neffen gilt, beträgt der Freibetrag hingegen nur 20.000 Euro. Für Begünstigte der Steuerklasse III, zu denen nicht verwandte Personen oder sehr entfernte Verwandte zählen, beträgt der Freibetrag ebenfalls 20.000 Euro. Da Familienstiftungen häufig auch entferntere Verwandte als potenzielle Begünstigte einbeziehen, kann dies zu einer Einstufung in die ungünstigeren Steuerklassen und damit zu einer höheren Steuerlast führen.

Die Bedeutung der Stiftungssatzung

Die Satzung einer Familienstiftung ist von zentraler Bedeutung, wenn es um die steuerliche Behandlung und die langfristige Verwaltung des Stiftungsvermögens geht. Sie legt fest, wer zu den potenziellen Begünstigten der Stiftung gehört und unter welchen Bedingungen Vermögenswerte ausgeschüttet werden können. Im Kontext der steuerlichen Optimierung ist es wichtig, die Satzung so zu gestalten, dass unnötig hohe Steuerlasten vermieden werden.

Das Urteil des BFH zeigt, dass es bei der Erstellung der Satzung nicht nur auf die aktuelle Familiensituation ankommt. Auch potenzielle zukünftige Begünstigte, die in der Satzung vorgesehen sind, müssen berücksichtigt werden, da sie die Steuerklasse und damit die Steuerlast beeinflussen. Es empfiehlt sich daher, bei der Ausarbeitung der Satzung genau zu definieren, wer als Begünstigter in Frage kommt, und gegebenenfalls zu prüfen, ob bestimmte entfernte Verwandte oder ungeborene Nachkommen ausgeschlossen werden können, um die Steuerlast zu minimieren.

Stiftungen als Mittel der Vermögenssicherung

Neben den steuerlichen Aspekten bietet die Familienstiftung weitere Vorteile. Sie ermöglicht es, Vermögen langfristig zu sichern und den Willen des Stifters über Generationen hinweg durchzusetzen. Dies kann insbesondere für Unternehmer von Bedeutung sein, die sicherstellen möchten, dass ihr Unternehmen auch nach ihrem Tod in der Familie bleibt und nicht durch Erbschaftsstreitigkeiten oder den Verkauf an Dritte gefährdet wird.

Durch die Übertragung von Unternehmensanteilen auf eine Familienstiftung können Unternehmer außerdem ihre Nachfolge regeln und sicherstellen, dass das Unternehmen in ihrem Sinne weitergeführt wird. Die Stiftung ermöglicht es, klare Regeln für die Verteilung von Erträgen festzulegen, und schützt das Unternehmen vor Zersplitterung durch Erbschaften.

Herausforderungen bei der Gründung einer Familienstiftung

Neben den steuerlichen Aspekten ist eine weitere Herausforderung die langfristige Verwaltung der Stiftung. Die Satzung muss so gestaltet sein, dass sie flexibel genug ist, um auf Veränderungen innerhalb der Familie oder des Vermögens zu reagieren, gleichzeitig aber die ursprünglichen Ziele des Stifters bewahrt.

Fazit

Die Gründung einer Familienstiftung und die Übertragung von Vermögen auf diese ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Planung und eine genaue Kenntnis der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen erfordert. Das Urteil des BFH vom 28. Februar 2024 verdeutlicht die steuerlichen Herausforderungen, die sich bei der Übertragung von Vermögen auf Familienstiftungen ergeben können, insbesondere in Bezug auf die Bestimmung der Steuerklasse und die Berücksichtigung des „entferntest Berechtigten“.

Für vermögende Privatpersonen und Unternehmer, die eine Familienstiftung gründen möchten, ist es ratsam, frühzeitig fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen, um alle steuerlichen und rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Eine gut durchdachte Satzung, die sowohl die langfristigen Ziele des Stifters als auch die steuerlichen Implikationen berücksichtigt, ist entscheidend, um die Vorteile einer Familienstiftung optimal zu nutzen.

Iht
Tobias Scheidacker

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