October 20, 2024

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Das Thema der Sachmängelhaftung im Immobilienrecht spielt immer wieder eine zentrale Rolle. Während die Parteien oft einen Sachmängelausschluss vereinbaren, um sich vor späteren Gewährleistungsansprüchen zu schützen, greift dieser Ausschluss nicht uneingeschränkt. Insbesondere wenn der Verkäufer Mängel arglistig verschweigt, bleibt er auch bei einem vertraglichen Haftungsausschluss haftbar. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. Oktober 2023 (Az. V ZR 43/23) beleuchtet diese Problematik und gibt wichtige Hinweise zur Abgrenzung zwischen Mangelsymptomen und echten Sachmängeln.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall kauften die Kläger ein Einfamilienhaus, dessen Terrasse mit einem Kunststoffdach überdacht war. Im Kaufvertrag war ein umfassender Sachmängelausschluss vereinbart. Kurz nach dem Kauf stellten die Kläger fest, dass das Dach der Terrasse undicht war und bei Regen Wasser in die darunter liegenden Bereiche eindrang. Der Verkäufer hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach versucht, das Dach zu reparieren, jedoch ohne dauerhaften Erfolg. Obwohl der Verkäufer die wiederholten Wassereintritte kannte, informierte er die Käufer nicht über dieses Problem.

Die Kläger forderten Schadensersatz für die Beseitigung der Undichtigkeit sowie die Feststellung der Haftung des Verkäufers für zukünftige Schäden. Das Berufungsgericht entschied zunächst zugunsten des Verkäufers und führte aus, dass der Sachmängelausschluss greife, da der Verkäufer die genaue Ursache der Undichtigkeit nicht kannte und deshalb keine Arglist vorliege.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil der Vorinstanz auf und stellte klar, dass der Verkäufer für die Mängel haften muss, da er die Wassereintritte arglistig verschwiegen hatte. Der BGH legte dabei folgende Punkte fest:

1. Der Wassereintritt als eigenständiger Sachmangel: Der BGH urteilte, dass die wiederholten Wassereintritte durch das Terrassendach einen eigenständigen Sachmangel darstellen. Auch wenn die genaue Ursache der Undichtigkeit zunächst unklar war, lag bereits durch das wiederholte Eindringen von Wasser ein Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB vor. Ein solches Grundstück entspricht nicht der üblichen Beschaffenheit, wenn das Dach einer Terrasse undicht ist und Regenwasser in die darunter liegenden Bereiche eindringt.

2. Arglist des Verkäufers auch ohne Kenntnis der Ursache: Für die Bejahung der Arglist genügte es, dass der Verkäufer den Mangel – also die Wassereintritte – kannte, auch wenn ihm die genaue Ursache der Undichtigkeit unbekannt war. Der BGH stellte fest, dass es nicht erforderlich ist, dass der Verkäufer alle Ursachen eines Mangels kennt. Es reicht aus, wenn er den Mangel als solchen wahrnimmt und verschweigt. Das Verschweigen des Problems stellt einen bewussten Verstoß gegen die Aufklärungspflichten des Verkäufers dar und begründet die Arglist nach § 444 BGB.

3. Sachmängelausschluss gilt bei Arglist nicht: Der vereinbarte Sachmängelausschluss im Kaufvertrag entbindet den Verkäufer nicht von der Haftung, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Dies ergibt sich aus § 444 BGB, wonach der Ausschluss der Gewährleistung unwirksam ist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt. Diese Bestimmung schützt den Käufer davor, dass ihm wesentliche Informationen vorenthalten werden, die für seine Kaufentscheidung maßgeblich gewesen wären.

Abgrenzung von Mangelsymptomen und Sachmängeln

Ein interessanter Aspekt des Urteils betrifft die Abgrenzung zwischen Mangelsymptomen und tatsächlichen Mängeln. Der BGH stellte klar, dass wiederholte Wassereintritte nicht bloß als Symptom eines tieferliegenden Problems zu betrachten sind, sondern selbst einen Sachmangel darstellen. Ein Symptom ist lediglich ein Hinweis auf einen Mangel, während der Mangel selbst die Ursache darstellt, die behoben werden muss.

Das Urteil verdeutlicht, dass die Undichtigkeit eines Terrassendachs ein eigenständiger Mangel ist und nicht nur als Anzeichen für ein tieferliegendes Problem angesehen werden darf. Selbst wenn der Verkäufer nur die Symptome wahrnimmt, hat er dennoch die Pflicht, den Käufer über diese zu informieren. Unterlässt er dies, handelt er arglistig, unabhängig davon, ob ihm die genaue Ursache der Symptome bekannt ist.

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Das Urteil des BGH hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis des Immobilienkaufs:

- Für Käufer ist es wichtig, bei der Besichtigung eines Hauses auf Anzeichen möglicher Mängel zu achten. Wiederholte Wassereintritte oder ähnliche Probleme sollten nicht als harmlos abgetan werden. Käufer haben das Recht, umfassend über bestehende Mängel informiert zu werden. Falls der Verkäufer bekannte Probleme verschweigt, besteht auch bei einem vertraglichen Sachmängelausschluss die Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen.

- Für Verkäufer bedeutet das Urteil, dass sie ihre Aufklärungspflichten sehr ernst nehmen müssen. Auch wenn die genaue Ursache eines Mangels nicht bekannt ist, müssen sie die Käufer über wahrgenommene Probleme informieren. Verschweigt der Verkäufer ein Problem, obwohl er davon wusste, riskiert er, trotz eines Sachmängelausschlusses haftbar gemacht zu werden.

- Für Notare spielt das Urteil ebenfalls eine Rolle: es erinnert uns, bei der Gestaltung von Kaufverträgen Käufer und Verkäufer auf die Grenzen eines Sachmängelausschlusses hinyuweisen. Ein Haftungsausschluss ist nicht wirksam, wenn dem Verkäufer Mängel bekannt sind und diese nicht offenbart werden.

Arglistige Täuschung und ihre rechtlichen Konsequenzen

Die Arglist setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel kannte oder zumindest für möglich hielt und bewusst darauf verzichtet hat, den Käufer darüber zu informieren. Dies ist ein erheblicher Eingriff in die Vertragstreue und hat weitreichende Folgen. Der BGH entschied, dass in einem solchen Fall der Verkäufer für alle Schäden, die aus dem verschwiegenen Mangel resultieren, haftet. Dazu gehören die Kosten für die Beseitigung des Mangels sowie eventuelle Folgeschäden, die durch den Mangel entstehen können.

Interessant ist dabei, dass der BGH ausdrücklich betonte, dass auch ein „Nichtwissen“ des Verkäufers über die genaue Ursache des Mangels die Arglist nicht ausschließt. Es genügt, dass der Verkäufer von den Symptomen wusste – also von den Wassereintritten –, um ihn haftbar zu machen. Diese Entscheidung stärkt die Position des Käufers und stellt sicher, dass ihm keine wesentlichen Informationen vorenthalten werden, die für seine Kaufentscheidung wichtig sind.

Fazit

Das Urteil des BGH vom 27. Oktober 2023 bietet klare Leitlinien für den Umgang mit verdeckten Mängeln beim Immobilienkauf. Es stellt sicher, dass Käufer auch dann geschützt sind, wenn der Verkäufer versucht, sich durch einen Sachmängelausschluss von der Haftung zu befreien. Entscheidend ist, dass Verkäufer ihre Aufklärungspflichten ernst nehmen und die Käufer über alle ihnen bekannten Mängel informieren. Andernfalls kann der Käufer Schadensersatz verlangen, selbst wenn ein vertraglicher Haftungsausschluss vereinbart wurde.

Ihr
Tobias Scheidacker

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