October 5, 2024

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Beim Kauf von Immobilien geht es in der Regel um hohe finanzielle Summen und komplexe vertragliche Vereinbarungen. Ein Aspekt, der von deutschen Beteiligten einerseits und ausländischen Beteiligten andererseits unterschiedlich wahrgenommen wird, ist die Frage der Vorauszahlungen auf den Kaufpreis und deren rechtliche Absicherung - im Ausland ist dies eher üblich, in Deutschland in der Regel nicht.

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juni 2024 (Az. V ZR 8/23) bringt nun mehr Klarheit in diese Angelegenheit.

Der Fall: Streit um Vorauszahlung und Formmängel

Im Mittelpunkt des Urteils stand der Verkauf eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück. Der Verkäufer hatte zunächst eine Hälfte des Grundstücks an eine GmbH verkauft, deren Geschäftsführer der Kläger war. Später, im Jahr 2018, folgte der Verkauf des zweiten Miteigentumsanteils. In beiden Fällen erfolgte die Abwicklung über notarielle Kaufverträge, doch der Streit entzündete sich an einer Vorauszahlung, die der Käufer bereits vor dem Abschluss des zweiten Vertrages geleistet hatte.

Da die Vorauszahlung nicht im Kaufvertrag festgehalten worden war, stellten sich die Erben des Verkäufers nach dessen Tod auf den Standpunkt, dass der Vertrag über die zweite Hälfte des Grundstücks nichtig sei. Sie verwiesen dabei auf den Formmangel, denn eine Vorauszahlungsabrede muss nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB notariell beurkundet werden. Ohne eine solche Beurkundung, so argumentierten sie, sei die Vereinbarung über die Vorauszahlung nichtig und damit auch der gesamte Kaufvertrag gemäß § 139 BGB.

Der rechtliche Hintergrund: Warum Beurkundungen so wichtig sind

In Deutschland unterliegen Immobilienkaufverträge besonderen Formvorschriften. Nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB müssen sie notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein. Das gilt nicht nur für den Kaufvertrag selbst, sondern auch für alle wesentlichen Nebenabreden – darunter eben auch Vorauszahlungen. Der Gesetzgeber hat diese strengen Formvorschriften eingeführt, um Käufer und Verkäufer vor unüberlegten und rechtlich unsicheren Absprachen zu schützen.

Doch wie verhält es sich, wenn eine solche Vorauszahlungsabrede zwar getroffen, aber nicht beurkundet wurde? Führt dies zwangsläufig zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrags? Diese Frage klärte der BGH im genannten Fall.

Wie ist es im Ausland?

In vielen Ländern sind Anzahlungen bei Immobilienkäufen eine gängige Praxis, die im einzelnen jedoch stark variiert. Während Vorauszahlungen in Deutschland grundsätzlich notarielle Beurkundung erfordern, ist das in anderen Ländern meist anders geregelt, hier einige Beispiele:

Vereinigte Staaten

In den USA ist es üblich, dass Käufer eine Anzahlung von etwa 20% des Kaufpreises leisten. Diese „down payment“ wird meist im Rahmen der Vertragsverhandlungen festgelegt. Die restliche Summe wird über eine Hypothek finanziert. Es ist keine notarielle Beurkundung der Anzahlung erforderlich, jedoch spielt die genaue Dokumentation eine wesentliche Rolle, um spätere rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden.

Spanien

In Spanien beträgt die übliche Anzahlung für Immobilienkäufe durch Nicht-Residenten zwischen 30% und 40% des Kaufpreises. Dies hängt von der Finanzierung und den Konditionen des Kreditgebers ab. Ausländische Käufer sollten beachten, dass die Vorauszahlung oft nicht erstattungsfähig ist, wenn der Kauf aus irgendeinem Grund nicht zustande kommt. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, vorab alle vertraglichen Details sorgfältig zu prüfen.

Brasilien

In Brasilien ist die Anzahlung, oder „entrada“, typischerweise 5% bis 10% des Immobilienwerts. Diese Zahl kann jedoch je nach Region und Verhandlung variieren. Die brasilianischen Gesetze zur Immobilienfinanzierung und zu internationalen Geldtransfers sind sehr komplex sind, so daß ausländische Käufer einen lokalen Beratr brauchen und Zahlungen über autorisierte Währungsbanken abwickeln sollten, um lokale Gesetze einzuhalten und Risiken zu minimieren.

Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich sind Anzahlungen von 5% bis 10% üblich. In der Regel zahlt der Käufer nach Vertragsunterzeichnung eine „deposit“, die als Sicherheit dient, bevor der Kauf final abgeschlossen wird. Auch hier ist keine notarielle Beurkundung notwendig, die Dokumentation erfolgt meist durch Anwälte oder über spezialisierte Immobilienmakler.

Risiken und Dokumentation

Meist wird die Anzahlung bei Immobilienkäufen als Sicherheit für den Verkäufer angesehen. Das zwingt Käufer, sorgfältig vorzugehen und die Zahlungen zu dokumentieren, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Ebenso müssen die steuerlichen Implikationen und eventuelle Rückerstattungsbedingungen im Auge behalten werden, da eine nicht erstattungsfähige Anzahlung bei Nichtzustandekommen des Kaufs erhebliche finanzielle Verluste bedeuten kann.

In Summe lässt sich sagen, dass Anzahlungen bei Immobilienkäufen weltweit üblich sind, ihre Handhabung und Absicherung jedoch stark von den lokalen Gesetzen abhängt.

Das Urteil des BGH: Kaufvertrag nicht automatisch nichtig

Zurück nach Deutschland. Der BGH entschied, dass die Vermutung der Gesamtnichtigkeit eines Kaufvertrags nicht zwingend greift, wenn eine Vorauszahlungsabrede nicht notariell beurkundet wurde. Wichtig sei, dass der Käufer in der Lage ist, die geleistete Vorauszahlung nachzuweisen. Das könne beispielsweise durch Überweisungsbelege oder andere Dokumente geschehen, die zweifelsfrei belegen, dass die Zahlung auf die Kaufpreisschuld geleistet wurde.

Das Gericht stellte fest, dass es nicht erforderlich ist, dass eine formelle Vereinbarung über die Vorauszahlung existiert. Entscheidend sei vielmehr, dass der Käufer die Zahlung nachweisen kann. Somit genügt ein klarer Zahlungsnachweis, um die Nichtigkeitsvermutung des Vertrags zu widerlegen. In dem verhandelten Fall wurde dies durch ein sogenanntes „Immobilien-Übergabeprotokoll“ versucht, in dem die Zahlung festgehalten war. Das Gericht verwies den Fall an die Vorinstanz zurück, damit dort die Echtheit des Protokolls geprüft werden kann.

Was bedeutet das Urteil für Immobilienkäufer und -verkäufer?

Das Urteil hat Auswirkungen auf den Immobilienmarkt und die Vertragsgestaltung bei Immobilienkäufen. Es zeigt zunächst, wie wichtig die Dokumentation von Vorauszahlungen ist. Käufer, die eine solche Zahlung leisten, sollten sicherstellen, dass diese entweder notariell beurkundet oder in anderer Form nachweisbar ist. Dabei können Überweisungsbelege, Quittungen oder andere schriftliche Bestätigungen hilfreich sein.

Für Verkäufer bedeutet das Urteil, dass sie ebenfalls darauf achten sollten, dass alle wesentlichen Vereinbarungen im notariellen Vertrag festgehalten werden. Formfehler, wie das Versäumnis, eine Vorauszahlungsabrede zu beurkunden, können sonst zu späteren Unsicherheiten führen und im schlimmsten Fall zu Rechtsstreitigkeiten, die den gesamten Vertragsabschluss gefährden.

Unter dem Strich schafft das Urteil Rechtsklarheit, wenn den Erwartungen ausländischer Vertragsbeteiligter folgend eine Anzahlung geleistet werden soll, bevor es zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrags kommt. Eine solche ist nun möglich. Sie sollte aber auf jeden Fall in der Urkunde Erwähnung finden und ihr Einbehalt bzw. ihre Rückzahlbarkeit bei Vertragsabwicklungsproblemen klar geregelt werden.

Von der Vereinbarung einer Anzahlung ohne Aufnahme in den notariellen Vertrag muß man weiterhin eindeutig abraten. Unabhängig von der zivilrechtlichen Wertung wäre es eine Steuerhinterziehung (nämlich mindestens von Grunderwerbsteuer), wenn man einen geringeren als den letztlich gezahlten Gesamtkaufpreis angibt.

Ihr
Tobias Scheidacker

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