October 16, 2024

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Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juli 2024 (Az. 22 U 26/24) befasst sich mit der Frage, unter welchen Umständen asbesthaltige Dachschindeln einen Sachmangel bei Immobilienverkäufen darstellen und inwieweit ein vertraglich vereinbarter Sachmängelausschluss gültig bleibt. Für Käufer und Verkäufer von Bestandsimmobilien ist es hilfreich, die Kernaussagen dieses Urteils zu kennen, um Missverständnisse und rechtliche Streitigkeiten in Bezug auf verborgene Mängel zu vermeiden.

Hintergrund des Falls

Im zugrunde liegenden Fall kauften die Kläger ein Haus mit einem Mansardendach, das asbesthaltige Dachschindeln aufwies. Der Kaufvertrag enthielt einen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Die Kläger forderten Schadensersatz von den Verkäufern mit der Begründung, diese hätten sie nicht über die Asbestbelastung des Dachs aufgeklärt. Zudem behaupteten die Kläger, dass die Verkäufer einen Wasserschaden und das Entfernen einer tragenden Wand verschwiegen hätten. Das Landgericht wies die Klage ab, und das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung.

Asbest als Sachmangel

Nach § 434 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die Immobilie nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die gewöhnliche Nutzung eignet. Das Gericht entschied jedoch, dass asbesthaltige Dachschindeln nicht zwangsläufig einen Sachmangel darstellen, wenn keine konkrete Gesundheitsgefährdung für die Bewohner besteht. Der Asbest war in den Dachschindeln stark gebunden, sodass keine ernsthafte Gefahr einer Freisetzung von Asbestfasern im Rahmen der normalen Nutzung des Hauses vorlag.

Die Richter betonten, dass ein Haus aus dem Baujahr der streitgegenständlichen Immobilie (1900er Jahre) in der Regel nicht die Erwartung einer asbestfreien Dacheindeckung erweckt. Eine Sanierung wäre nur dann erforderlich, wenn Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen geplant sind, die das Risiko einer Freisetzung von Asbest erhöhen. Das Gericht hob hervor, dass in einem solchen Fall nur zusätzliche Sicherungs- und Entsorgungskosten erstattungsfähig wären.

Bedeutung des vertraglichen Haftungsausschlusses

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils war die Frage, ob der vereinbarte Gewährleistungsausschluss wirksam bleibt, wenn dem Verkäufer Mängel wie Asbest bekannt sind. Das Gericht stellte fest, dass der Ausschluss rechtlich Bestand hat, solange der Verkäufer keine Mängel arglistig verschweigt. In diesem Fall war unstrittig, dass die asbesthaltigen Dachschindeln bei der Besichtigung des Hauses nicht versteckt waren und daher keine Aufklärungspflicht bestand.

Es wurde zudem entschieden, dass die von Notaren oft verwendeten Klauseln in Kaufverträgen nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB gelten, da sie in der Regel nicht von einer der Vertragsparteien gestellt werden. Der beurkundende Notar handelt neutral und im Interesse beider Vertragsparteien, sodass der Gewährleistungsausschluss nicht als vom Verkäufer einseitig vorgegeben angesehen wurde.

Arglist und Beweislast

Das Urteil verdeutlicht, dass Käufer, die behaupten, ein Verkäufer habe Mängel arglistig verschwiegen, hierfür den Beweis erbringen müssen. In diesem Fall konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass die Verkäufer von einem vermeintlichen Wasserschaden oder der Tragfähigkeit der entfernten Wand Kenntnis hatten. Das Gericht stellte fest, dass die Verkäufer sich auf den Rat eines Fachmanns verlassen hatten, der die Wand als nicht tragend eingestuft hatte, und dass es in den 15 Jahren nach der Entfernung der Wand keine Hinweise auf statische Probleme gab.

Auch die allgemeine Versicherung des Verkäufers, dass ihm keine versteckten Mängel bekannt seien, wurde als korrekt bewertet, da sich diese Aussage nicht auf offenkundige oder potenziell bekannte Mängel bezieht, die bei einer üblichen Besichtigung hätten erkannt werden können. Ein solcher Haftungsausschluss entbindet den Verkäufer jedoch nicht von der Pflicht, den Käufer über nicht erkennbare, versteckte Mängel aufzuklären, die das Wohneigentum erheblich beeinträchtigen könnten.

Auswirkungen für die Praxis

Dieses Urteil zeigt, dass Käufer und Verkäufer bei Bestandsimmobilien sorgfältig sein müssen. Käufer sollten bei älteren Gebäuden nicht automatisch davon ausgehen, dass diese frei von Materialien wie Asbest sind, wenn keine explizite Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde. Vor einem Immobilienkauf ist es ratsam, mögliche Belastungen wie Asbest durch einen Gutachter prüfen zu lassen, besonders wenn Renovierungsarbeiten geplant sind.

Verkäufer hingegen sollten sicherstellen, dass sie alle ihnen bekannten wesentlichen Mängel offenlegen, um rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden. Selbst wenn der Kaufvertrag einen umfassenden Haftungsausschluss enthält, schützt dies den Verkäufer nicht vor Ansprüchen, wenn er wesentliche Mängel arglistig verschweigt.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm bietet Einblicke in die rechtliche Bewertung von Sachmängeln bei Immobilienverkäufen. Käufer sollten sich im Klaren sein, dass ältere Immobilien häufig Baustoffe wie Asbest enthalten können, ohne dass dies einen Sachmangel darstellt, solange keine konkrete Gesundheitsgefährdung besteht. Verkäufer sollten ihrerseits offen und transparent über bekannte Mängel informieren, um Missverständnisse und spätere Haftungsfragen zu vermeiden. Ein sachgemäß formulierter Kaufvertrag, der alle relevanten Punkte klärt, ist in jedem Fall ratsam.

Ihr
Tobias Scheidacker

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