July 20, 2024

06

Wie lange es dauert, bis ein Beurkundungstermin stattfinden kann, hängt davon ab, worum es geht.

Dabei wird das Zeitfenster von zwei Umständen bestimmt: (1) der Komplexität des Vorgangs als solchem und (2) etwaigen gesetzlichen Bestimmungen über Wartezeiten.

Wie komplex ist ein Vorgang?

Aus inhaltlicher Sicht kann beurkundet werden, wenn die Sache fertig vorbereitet ist. Dabei sind Standardangelegenheiten schneller fertig vorbereitet als schwierigere.

Für uns als Notare ist zum Beispiel ein Wohnungskaufvertrag in der Regel Standard - wir kennen unsere Muster und es gibt nur eine bestimmte Bandbreite an Abwicklungsvarianten, die wir alle schon vielfach durchexerziert haben. Ein wenig komplexer kann es werden, wenn z.B. der Verkäufer aus Erben besteht und noch kein Erbschein vorliegt, oder wenn Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungssituationen hineinspielen, oder wenn eine Belastung im Grundbuch durch ein Aufgebotsverfahren beseitigt werden muß. Während der Entwurfserstellung entsteht ein Bild der erforderlichen Informationen vorab und der Schritte im Nachgang. Die Geschwindigkeit, zu wann wir einen Termin vereinbaren können, wird aber weniger durch die rechtlichen Auswirkungen der Sachverhaltsbesonderheiten und mehr dadurch bestimmt, wann wir alle notwendigen Informationen von den Beteiligten erhalten.

Für Käufer oder Verkäufer stellt sich das anders dar. Selbst routinierte Makler oder Bauträger sind nicht annähernd an so vielen Vorgängen beteiligt wie ein Notar, haben also weniger Routine. Privatleute, die nur ein oder zwei Mal in ihrem Leben an einem Kaufvertrag mitwirken, haben erst recht ein deutlich erhöhtes Informationsbedürfnis. Und wenn sie dann nicht in Deutschland leben und kein deutsch sprechen und das hiesige Rechtssystem nicht gewohnt sind, ist der Informationsaufwand - auch zeitlich, mitunter mit vielfachen email-Nachfragen - erheblich, selbst in einer so "einfachen" Sache wie einem Kaufvertrag.

Aus notarieller Sicht komplexer wird es, je individueller und je umfangreicher die Angelegenheit ist. Eine Teilungserklärung (= Aufteilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen) muß auf das individuelle Haus zugeschnitten und der Ausbausituation angepasst werden. Ein Bauprojekt kann auf einem vorhandenen Grundstück entstehen oder Flächenzusammenlegungen oder -teilungen erfordern, ein oder mehrere Häuser betreffen, unterschiedliche Bauabschnitte beinhalten, bestimmte Finanzierungsabläufe erfordern und zahlreiche Beteiligte beinhalten. Ein Geschäftsanteilskauf ("Share Deal") kann einfach Anteile von A nach B übertragen oder umfangreiche Beteiligungsabreden, Milestone-Vergütungen und Umstrukturierungskomponenen enthalten. Nach oben hin sind der Komplexität kaum Grenzen gesetzt.

Das vorzubereiten dauert dann natürlich länger. Im B2B-Bereich werden wir Notare oft beteiligt, wenn sich die Rechtsabteilungen der beteiligten Unternehmen schon auf einen weitgehend fertigen Vertrag geeinigt haben. Im B2C-Bereich (z.B. Bauträgervertrag) stammen die Entwürfe oft vom Notar selbst.

Verbrauchervertrag ja oder nein?

Aus beurkundungsrechtlicher Sicht muß der Notar Übereilungsschutz gewährleisten. Daß wir das tun, also Vorgänge verlangsamen, die ohne uns viel schneller abliefen, ist einer der Gründe dafür, daß das Gesetz für bestimmte Rechtsgeschäfte die notarielle Beurkundung vorsieht. Hiermit soll sichergestellt werden, daß die Beteiligten bei wichtigen Dingen keine vorschnellen Entscheidungen treffen, sondern vorbereitet und überlegt handeln. Grundsätzlich gilt das für jede Beurkundungsangelegenheit.

Solange Verbraucher nicht beteiligt sind, haben wir Notare weitgehendes Ermessen zu beurteilen, ob die Beteiligten wissen, was sie tun. Wenn ich mit der Beauftragungsemail einen fertig ausverhandelten Text zweier Rechtsabteilungen zur Beurkundung erhalte, spricht nichts dagegen, ihn morgen vorzulesen, wenn alle Beteiligten das so wollen. Bei Verkauf von Unternehmern an Verbraucher ist das anders: hier bestimmt § 17 Abs. 2a BeurkG eine Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Entwurfsübersendung an alle Beteiligten und der Beurkundung. Abschlußdruck, Bieterwettlauf und andere psychologische Verkaufsstrategien werden so verhindert, anschließende Vertragsreue ist weniger wahrscheinlich.

Überraschend ist, daß die zweiwöchige Mindestfrist bei Verkauf von Verbrauchern untereinander nicht gilt. Auch hier müssen wir Notare aber darauf achten, daß keine übereilten Entscheidungen getroffen werden. Wir lehnen uns deshalb auch hier bei der Terminierung an die 2-Wochen-Frist an und sind in begründeten Ausnahmesituationen flexibel.

Wie sieht der Terminkalender aus?

Wir finden fast immer einen Termin nach Wunsch der Beteiligten. Dabei haben wir den Vorteil, daß wir sowieso im Büro sind (und entweder Entwürfe schreiben oder vorlesen oder beraten). Alle anderen müssen anreisen, teils sehr weit. Wir versuchen, bei der Terminkoordination Wartezeiten zu vermeiden. Manchmal haben wir es nicht in der Hand - in der vorherigen Beurkundung fangen die Parteien unerwartet doch noch einmal an zu verhandeln, oder sie hat eine halbe Stunde verspätet begonnen, weil ein Beteiligter sich verspätete. Wir lassen hinten raus zu jedem Beurkundungstermin etwas Puffer, so daß unerwartete Verlängerungen in der Regel nicht die nächsten Termine tangieren.

Man kann tatsächlich die voraussichtliche Termindauer ganz gut abschätzen: je mehr Beteiligte, desto wahrscheinlicher verspätet sich jemand; je mehr Änderungswünsche einzelner Beteiligter am Entwurf im Vorfeld oder je mehr Dissenz zu Einzelfragen zwischen den Beteiligten, desto wahrscheinlicher sind weitere Verhandlungen in letzter Minute an meinem Beurkundungstisch. Und auch die Makler sagen uns im Vorfeld häufig Bescheid, wenn sie ahnen, daß es etwas aufwendiger wird. Dann können wir die Beurkundung als letzte vor der Mittagspause oder als letzte des Tages einrichten. Im ersteren Fall ist der Worst Case, daß ich nichts zu essen bekomme, das halte ich aus. Im letzteren Fall haben wir Zeit, bis jemand müde ist, und können im Zweifel vertagen. Andere Beurkundungen verschieben sich dadurch nicht.

Ihr Tobias Scheidacker
Rechtsanwalt und Notar

No items found.